Suderburg
Volksheilmittel

Pflanzenheilkunde und Aberglaube

“Es stünd schlimm um kranke Menschen und krankes Tier
und schlimm um Abwehr nächtlicher Unholde
und Stillung liebender Sehnsucht,
wenn keine Kräuter wären!”

Interessant ist es, daß namentliche Heilkundler gibt, die auf diese Naturheilverfahren zurück greifen. In vielen Hausapotheken findet man noch heute die schweißtreibenden Teearten: Flieder-, Pfefferminz-, Kamillen- und Lindenblütentee. Bekannt war auch, daß die Linde der Göttin Frigga geweiht war. Sie war gegen Blitzstrahl gefeit und stand unter dem Segen der Götter. Leinsamen benutzte man für Umschläge bei Geschwülsten. Häufig machte man auch Umschläge mit heißen Pellkartoffeln. Aus Wacholderbeeren und Wermut stellte man einen Magenbitter her und heilte damit Magen- und Darmverstimmungen. Eine ganz besondere Bedeutung spielte der schwarze Holunder oder Holler. Wegen des betäubenden Geruchs seiner weißen Blütenschirme galt er schon den Germanen als ein heiliger und heilkräftiger Strauch. Aus den schwarzen Beeren bereitete man später das Höllermus. Der Fieberkranke suchte das Fieber und damit seine Krankheit auf den Holunderbusch zu übertragen. Schweigend knickte er einen dünnen Zweig und sprach die Zauberformel:

"Zweig, nun lass' mich,
Ich hab dich einen Tag,
Hab' du's nun Jahr und Tag."

Gegen das "kalte Fieber" half das Osterwasser. Das wurde in der Osternacht zwismen 12 und 1 Uhr aus einem fließenden Gewässer geschöpft, und zwar mußte dies stillschweigend geschehen, da das Wasser sonst die Heilkraft verlor. Im übrigen sollte das Wasser auch wohltuend für die Haut sein.

Nichts ließ man in dieser Zeit bei Krankheiten unversucht. Das beweisen vor allen Dingen die vielen Rezepte, die von einzelnen Personen, zu denen man ein besonderes Vertrauen hatte, zusammengestellt wurden. So wurden oftmals Pflanzensäfte unter Zuhilfenahme von Wein, Bier, Branntwein, '01, Milch und Honig zu einer Medizin gemisch. Aus meiner Kindheit weiß ich noch aus Erzählungen, daß Lehrer Heuer aus Böddenstedt Rezepte ausschrieb. Vielseitige Mittel hatte man gegen Zahnschmerzen. Mit Zahnschmerzen wurde des Öfteren Schneidermeister Meyer in Räber aufgesucht. Von Zeit zu Zeit zog er in leichteren Fällen den Zahn, selbstverständlim ohne zu betäuben. Das Zahnziehen war im allgemeinen verpönt. Hatte man große Schmerzen, ging man einige Minuten barfuß in kaltem Wasser umher. Oftmals nahm man zur Linderung auch etwas Nelkenöl auf Watte und steckte sie dann an den Zahn. Bei hohlen Zähnen wurde der Schmerz oftmals unterdrückt durch ein Gemisch von Pfeffer, Zucker und Kochsalz. Alles wurde pulverisiert und in einem Speiseöllöffel in Ol geschmolzen. Kleine Kügelchen entstanden dann. Ein Körnchen davon wurde in den hohlen Zahn gesteckt. Augenblichlim milderte sich dann der Schmerz. Auch der Aberglaube spielte bei der Zahnbehandlung eine gewisse Rolle. So behandelte man Zahnschmerzen des öfteren mit einem dünnen Span von einem Eichenstamm. Mit diesem Span stocherte man möglichst solange in dem kranken Zahn, bis er blutete. Danach band man den Span wieder an die Eiche wie beim Pfropfen. Wenn er anwuchs, sollten die Schmerzen aufhören.

Dieser Aberglaube spielte eine besonders große Rolle bei werdenden Müttern und bei Kleinstkindern. Die Ursache des Schielens beim Kinde führte man darauf zurück, daß die Mutter vor der Geburt des Kleinen durchs Schlüsselloch geguckt hatte. Schwangere Frauen durften auch nicht eine Wäscheleine unterqueren; denn sonst legte sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes. War ein Kleinkind krank, mußte es nackend, aber stillschweigend durch die Zwille einer Eiche hindurchgezogen werden, und gleich wurde alles besser. Zur Bekämpfung der Warzen gab es Zaubersprüche. Bei zunehmendem Monde bestrich man, den Mond anschauend, die Warzen mit der Hand und murmelte den Zauberspruch:

»Was ich sehe, das vermehre sich;
Was im streiche, das verzehre sich!"

Wenn ein Kind einen "Krummen" - Grützbeutel - ein Überbein oder ein böses Gewächs hatte, so ging man mit ihm nach einem Hause, in dem ein Toter war. Man legte dann die Hand des Toten auf diese Stelle oder berührte sie mit seinem Finger, und die Geschwulst ging zurück. Man durfte aber beim Weggehen, bis man wieder im eigenen Hause war, kein Wort sprechen.

Alfred Baumgarten

 

 

 

 

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